„Hinaus ins Weite…“ - Die Rolle des Diakon*innenberufs in der Kirche der Zukunft
Via Zoom trafen sich am 8. März rund 200 Diakon*innen der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zur Jahrestagung. In diesem Jahr konnte diese aufgrund der Pandemie nur digital stattfinden. Per Livestream wurde aus der Jugendkirche in Hannover übertragen.
Nach der Begrüßung des Studierenden Titus Lensch und der Diakonin Mareike Lenz stellten sich die beiden Zuständigen für die Belange der Berufsgruppe der Diakon*innen im Landeskirchenamt, Diakonin Inga Rohoff (Nachfolgerin von Kerstin Dede) und Oberkirchenrat Mathis Burfien (Nachfolger von Dietmar Rehse) vor, die beide seit gut etwa einem halben Jahr im Amt sind.
Zurzeit sei innerhalb der Landeskirche viel im Hinblick auf die Berufsgruppe in puncto Diakon*innengesetz (Start des Beteiligungsprozesses), multiprofessionelle Teams (Prozess „Die Welle reiten- kirchliche Berufe 2030“, mögliche Geschäftsführungsaufgaben von Diakon*innen in Kirchengemeinden) und auch innerhalb der Aus-, Fort- und Weiterbildung vieles in Bewegung, so teilten die beiden mit.
Inga Rohoff führte durch das Tagesprogramm und gab zunächst eine Einführung in die 12 Leitsätze der EKD, die das von der EKD- Synode berufene „Z-Team“ (Zukunftsteam)- beauftragt von der EKD- Synode und bestehend aus je vier Personen aus den drei Leitungsorganen der EKD und weiteren berufenen Mitgliedern aus der Jugendsynode, im Sommer 2020 veröffentlichte. Diese zunächst 11 Leitsätze wurden nach öffentlicher Diskussion überarbeitet und Ende 2021 eine korrigierte Fassung mit 12 Leitsätzen unter dem Titel „Hinaus ins Weite“- 12 Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche der Zukunft veröffentlicht.
„Weniger Mitglieder – weniger Ressourcen – die Gesellschaft in der Glaubenskrise“, wie steht es um den Beruf der Diakon*innen in der Zukunft der Kirche? Was erwartet man von der Berufsgruppe? Was hat sie vielleicht auch zu befürchten, wie steht es um das Miteinander und die Gleichstellung der kirchlichen Berufsgruppen? Welche Wirkkraft können und sollen nun gerade die 12 Leitsätze haben, wo es doch schon in der Vergangenheit viele Reformprozesse in der evangelischen Kirche gab (z.B. Kirche der Freiheit 2006)? Diese und viele weitere Fragen stellte Inga Rohoff in ihrer Einführung zu den Leitsätzen dem geistlichen Vizepräsidenten der EKD, Herrn Dr. Thies Gundlach.
In seinem Hauptvortrag ging Dr. Gundlach vor allem auf mögliche Gründe des Resonanzverlustes der Kirche in der Gesellschaft und in den Herzen der Menschen ein. Die institutionelle Frömmigkeit, der Wunsch nach Amtshandlungen, Gottesdienstbesuche oder auch kirchliche Traditionen verlieren an Bewusstsein in der Öffentlichkeit.
Aber nicht nur die Gesellschaft, sondern die Kirche steckt in einer Glaubenskrise, so Gundlach. Die Frage nach dem Besonderen, der Vermittlung der Lebensrelevanz des Glaubens, der Deutung des Lebens durch das Wort Gottes müsse sich immer wieder auch von kirchlichen Mitarbeitenden gestellt werden. Unsere protestantische Kirche ist eine Kirche von Wort und Tat. Wir sind aber zu einer Kirche geworden, in der die Tat im Vordergrund steht, in der die Vermittlung des Wortes Gottes nur kaum noch zu hören ist. Unsere Kernkompetenz kommt in der Öffentlichkeit nur noch wenig vor. Die Herausforderung vor allem auch für Diakon*innen und Pastor*innen liegt gerade darin, Antworten auf die Frage nach dem geistlichen Profil und damit dem genuinen Alleinstellungsmerkmal von Kirche zu finden.
„Die 12 Leitsätze- ein neues Bild von Kirche?! Wie ist ihre Version von Kirche im Jahr 2030?“, das wurden zu Beginn des Podiums Dr. Nicola Wendebourg (Leiterin der Personalabteilung der Landeskirche), Anna- Nicole Heinrich (Jugendsynodale der EKD), Janette Zimmermann (Diakonin in Springe/ Ständiger Ausschuss), Dr. Ralph Charbonnier (theologischer Vizepräsident der Landeskirche) und Dr. Gundlach gefragt, bevor sie zu einzelnen Leitsätzen interviewt wurden.
„Ich wünsche mir eine Kirche, in der jeder das tun kann, was er gerne tut“, so Anna- Nicole Heinrich, die im weiteren Verlauf des Podiums noch einmal die Wichtigkeit des Ausbaus der Digitalisierung unserer Kirche hervorhob. Kirche soll da sein, wo „Drama“ ist, also genau dort, wo was passiert, kleiner, aber wesentlich selbstbewusster.
Dr. Ralph Charbonnier wünscht sich eine Kirche, die sehr vielfältig und offen ist. Man solle sich darüber bewusstwerden, was genau der kirchliche Auftrag beinhaltet, was wir gut können und was die Kontexte sind, in denen wir uns bewegen. Daraus ergebe sich dann, was wir zukünftig tun sollen.
Janette Zimmermann findet den Vorschlag des Risikogeldes von 10% einen immens wichtigen Punkt. Kirche müsse neue Formen ausprobieren, um gerade die Menschen zu erreichen, die sie nicht mehr erreicht- beispielsweise eben die 25-45jährigen, für die sie auf ihrer Pionier- Stelle in Springe Angebote erstellt. Neues erfinden, Neues versuchen, Scheitern zulassen und sich dabei fragen, welches Handeln und welche Methoden Wort und Tat verbinden und die Generation der 25-45jährigen genau ansprechen.
Dr. Thies Gundlach wünscht sich eine entspannte Kirche der Zukunft, die mutig ist und sich etwas zutraut. Auf die Frage nach neuen Modellen der Kirchenmitgliedschaft, antwortete er, man müsse weitere Möglichkeiten schaffen, eine Zugehörigkeit zur Kirche zu definieren. Viele Menschen haben eine Bindung zur Kirche, die aber nicht so weit geht, dass sie Kirchensteuer zahlen, also Mitglied werden. Auch die Würdigung von Kirchensteuerzahler*innen müsste wesentlich größer werden.
Dr. Nicola Wendebourg ist der Ansicht, dass auch durch die Erfindung der Doppelqualifikation Diakon*innen mit ihren Kompetenzen wie der Religionspädagogik, Gemeinwesendiakonie, Sozialraumarbeit nicht „kleine Pfarrer*innen“ sind, sondern eine Berufsgruppe mit eigenen, für unsere Kirche unabdingbaren Fähigkeiten. Die große Stunde der gegenseitigen Wertschätzung von Diakon*innen und Pastor*innen liegt noch vor uns und wird sich durch die Arbeit an den gemeinsamen Schwerpunktthemen verstärken:
„Es bleiben aber Glaube, Hoffnung, Liebe“ – wenn das immer noch stimmt, so Frau Dr. Wendebourg, „dann ist das eine Sensation!“
Ein herzlicher Dank gilt dem Ständigen Ausschuss, der diese Konferenz in vielen Sitzungen organisiert hat: Perdita Wünsch (Hannover), Janette Zimmermann (Springe), Kim Kossack (Rinteln), Titus Lensch (Hannover), Mareike Lenz (Hannover, Christine Kruse (Emden) Martin Wulf- Wagner (Ronnenberg) und Dierk Stelter (Holzminden).
Viele Kolleg*innen sind interessiert an der Auswertung, die gut Zweidrittel aller Teilnehmer*innen via Mentimeter durchgeführt haben. Dazu wird der Ständige Ausschuss sich weiter beraten und in den kommenden Wochen Auswertung sowie die daraus resultierende Planung für die Jahreskonferenz 2022 bekannt geben.