Diakonin in der Krankenhausseelsorge

Nachricht 20. August 2019

Barbara Denkers

Diakonin Barbara Denkers ist Seelsorgerin im Krankenhaus. Wie umfassend diese Aufgaben sind und mit welcher beruflichen Haltung diese Arbeit geleistet werden kann lesen Sie im folgenden Interview. (Stichworte: Seelsorge, Verkündigung, Flexibilität, Multiprofessionelle Teams)

Dede: Sie sind Diakonin in der Krankenhausseelsorge – wie kam es dazu?

Denkers: Vor meinem Studium habe ich auch darüber nachgedacht, Krankenschwester zu werden. Ich habe ein halbes Jahr als Praktikantin in der Pflege gearbeitet. Dabei habe ich gern mit Patientinnen und Patienten gesprochen – und sehr bald gemerkt, dass neben der anspruchsvollen pflegerischen Tätigkeit der Pflegenden wenig Zeit für Gespräche bleibt. Im Studium hat mich auf Grund dieser Erfahrung Seelsorge sehr interessiert, die Seminare bei Helga Lemke waren ertragreich für mich.

Dede: Was genau muss man sich unter Ihren Aufgaben in diesem Berufsfeld vorstellen?

Denkers: Die seelsorgliche Begleitung von Patient*innen und deren Angehörige ist meine primäre Aufgabe. Krankenhausseelsorge meint alle, die im Krankenhaus sind, eben auch dort arbeiten. Ich bin bei Bedarf auch Seelsorgerin für Mitarbeitende. Ich gestalte regelmäßig sonntägliche Gottesdienste. Das Gestalten von Ritualen an den Übergängen im Leben liegt mir am Herzen: Nottaufen, Aussegnungen, Gebete, Segen und Krankenabendmahl.
Außerhalb der Bürozeiten beteilige ich mich an einer stadtweiten Rufbereitschaft für Krisensituationen in den Kliniken. Die Rufbereitschaft halten wir 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche vor. Ich arbeite bei Fortbildungsangeboten in der Klinik mit. In Fachweiterbildungen für Pflegende gestalte ich Einheiten zum Thema „Kommunikation mit sterbenden Menschen und deren Angehörige“.

Dede: Welche Felder der Seelsorge gibt es noch?

Denkers: Die Felder sind breit gefächert: In der Gemeindearbeit, im Krankenhaus, Kinderklinik, Psychiatrie, Alten- und Pflegeheimen, Rehabilitationszentren, Gefängnis, Seemannsmission, Hospiz- und Palliativbereich, Telefonseelsorge, Chatseelsorge, Notfallseelsorge, Schwerhörigenseelsorge, gebärdensprachliche Seelsorge, HIV- und Aids-Seelsorge, Kurseelsorge. Und vielleicht habe ich noch nicht mal alle erfasst. Wer sich interessiert und stöbern möchte, kann das im Netz unter www.zentrum-seelsorge.de 

Dede: Was ist Ihre Aufgabe und wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von anderen Feldern der Seelsorge?

Denkers: Meine Haltung und Rolle unterscheiden sich wenig von anderen Feldern in der Seelsorge, denke ich. Das besondere im Krankenhaus ist der komprimierte Schwerpunkt:

Die Auseinandersetzung mit schwerer Verletzung, Krankheit oder dem nahen Sterben sowie den Verlust eines Menschen.

Es geht um die Bewältigung einer Krankheit und die damit einhergehenden Beschwerden und Einschränkungen, bei chronischen Krankheiten auch die Auseinandersetzung damit, dass es so bleibt.

Sterbende Menschen zu begleiten, heißt für mich, in der Ambivalenz zwischen dem verständlichen Verdrängen und der Auseinandersetzung mit dem nahen Tod als Gegenüber zur Verfügung zu stehen – für die Betroffenen und für ihre Zugehörigen.

Verlust, Trauer und Schmerz sind zentrale Themen in der Seelsorge. Auch der Blick auf das Leben, den Sinn, die Freude, Enttäuschung und Erfüllung, die jemand erlebt, erfahren hat. Das braucht Resonanz von meiner Seite, um diese Erfahrungen zu würdigen.

Bei dem Verlust eines Menschen durch einen Unfall oder auch durch einen Suizid gehört es zu meinen Aufgaben den ersten Schock mit aufzufangen.
Bei unserer 24-Stunden-Rufbereitschaft sind meist Kriseninterventionen angefordert.
Die Frage nach dem „Warum?“, nach dem Sinn im Leben, in der Krankheit, im Sterben begegnet mir immer wieder. Ebenso der Wunsch, mit jemand zu sprechen der nicht zum medizinischen Behandler-Team gehört und Zeit mitbringt. Verbunden damit geht es nicht selten um Krisen, die sich in diesem Zusammenhang zeigen oder sogar zuspitzen: Konflikte in der Familie, berufliche Probleme, Sorge um das tägliche Auskommen, wie geht es weiter, wenn die körperlichen Möglichkeiten eingeschränkt bleiben werden.
Ja, ich denke der Unterschied meiner seelsorglichen Aufgaben im Gegenüber zu anderen Feldern ist, dass ich jeden Tag komprimiert mit Menschen über diese Erfahrungen spreche, bei ihnen bin, mit aushalte, mich mit ihnen auf die Suche nach begehbaren Wegen mache. Und natürlich gibt es die seelsorglichen Momente, in denen ich mich mit den Betroffenen über Fortschritte, eine gelungene Operation, Heilung und der Entlassung aus dem Krankenhaus freuen kann.

Dede: Was muss man als Seelsorgerin lernen? Gibt es spezielle Weiterbildungen?

Denkers: Ich selbst halte es für unerlässlich, sich für die seelsorgliche Aufgabe in der Klinik fortzubilden. Diese Fortbildungen sind in der Krankenhausseelsorgeordnung als Bedingung für die Arbeit festgehalten. Ich selber war durch mein Studium durch die personenzentrierte Seelsorge geprägt, habe dann aber an einem 12-Wochen-Kurs Klinische Seelsorgeausbildung (KSA) teilgenommen. Hier konnte ich nicht allein das seelsorgliche Gespräch sehr differenziert reflektieren und einüben. Ich hatte auch Gelegenheit, meine Haltung und Rolle in der Arbeit zu reflektieren. In der KSA steht das Lernen in der Gruppe zentral.
In den Selbsterfahrungseinheiten konnte ich Selbst- und Fremdwahrnehmung üben, mich besser kennenlernen: Wie gehe ich in Beziehungen, wie gestalte ich Kontakte und wie gehe ich mit Konflikten und Konkurrenzen um beispielsweise.
Auch für das seelsorgliche Predigen habe ich wichtige Impulse erhalten. Ich profitiere bis heute von diesem Kurs.
Da das „learning by doing“ in der Klinischen Seelsorgeausbildung (KSA) mir sehr entspricht, bin ich den Weg in der Fort-und Weiterbildung weitergegangen. Ich wollte gern selbst Seelsorge-Kurse leiten. Dazu bin ich KSA-Supervisorin und schließlich KSA-Kursleiterin geworden. Die Leitung der Kurse ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich tue diese Arbeit sehr gern. Und habe den Eindruck, dass ich meine langjährige seelsorgliche Erfahrung hier gut nutzen kann ohne anderen etwas über zu stülpen.
Auch Supervisionen machen mir Freude, deshalb habe ich hier meinen Abschluss als Lehrsupervisorin erworben.

Für die seelsorgliche Arbeit braucht es diesen langen Weg nicht. Hier gilt es eine seelsorgliche Ausbildung zu machen.
Hier gibt es unterschiedliche Linien und somit Fortbildungsangebote: die personenzentrierte Seelsorge, die tiefenpsychologisch-orientierte Seelsorge, systemische Seelsorge und die KSA.

Dede: Mit welcher beruflichen Haltung begegnen Sie den Menschen in Ihren Arbeitsfeldern?

Denkers: Akzeptanz, Empathie und Echtheit ist meine Haltung in der Seelsorge. Ich versuche meine Gesprächspartner differenziert wahrzunehmen, mich in ihre Situation einzufühlen, dabei nicht mit ihnen zu verschmelzen, sondern gegenüber zu bleiben.

Ich akzeptiere den anderen, so wie er ist und begleite ihn wertschätzend in seinen Anliegen. Und ich bin die, die ich bin als Seelsorgerin. Ich stelle mich mit meiner Person zu Verfügung und verschwinde als Mensch nicht hinter meiner Rolle.
Mir ist bewusst, dass ich mit meiner Person auch Kirche repräsentiere. Gleichzeitig gehe ich als gläubiger Mensch zu den Menschen. Mein Glaube ist – mal mehr, mal weniger - eigene Kraftquelle und Orientierung für mich. Zum anderen gehört die spirituelle Begleitung zu meinem Seelsorgeverständnis: Auf diese Dimension im Gespräch zu achten und sie zu beachten, ist mir wichtig. Ich versuche eigene hermeneutische Einfälle meinem Gegenüber angemessen und der Situation gemäß ins Gespräch einzubringen. Hier habe ich schon viele Erfahrungen machen können, die meinen eigenen Glauben bereichert – aber auch herausgefordert haben.

Dede: Woran merkt man, dass Sie Ihre Arbeit als Diakonin machen? Was ist Ihre berufliche Identität? Und wie hat sich Ihre Berufsidentität entwickelt?

Denkers: Ich sehe meine Arbeit als Diakonin im Bereich der Verkündigung, der Seelsorge und Beratung wie ich es oben beschrieben habe.
Mit dem Begriff der Verkündigung hatte ich anfangs große Schwierigkeiten. Inzwischen ist er mir wichtig geworden. Verkündigung ist für mich nicht allein Gottesdienst oder der Vollzug von Ritualen. Es geht mir auch um mein Auftreten, um mein Zugehen und meinen Umgang mit anderen. Ich möchte andere ansehen und ihnen damit Ansehen geben (Gottesebenbildlichkeit) Ich will mich selber gut verstehen, um andere verstehen zu können (Selbstliebe, Nächstenliebe). Auch das ist für mich Verkündigung, auch wenn es mir nicht immer gelingt.
Als Diakonin bin ich in einer Gemeinde tätig. Und auch wenn die MHH nicht eigentlich meine Gemeinde ist, so sehe und erlebe ich sie doch als solche.

Außerdem verstehe ich mich auch als Religionspädagogin: In meiner Fortbildungsarbeit profitiere ich in der methodischen und didaktischen Vorbereitung immer noch und immer wieder neu von meinem Studium. In meiner Weiterbildung zu Supervision und Kursleiterin konnte ich meine gruppendynamischen Erfahrungen und mein Wissen darüber gut nutzen. (Seminare bei Christoph Emmelius und Werner Hodemann sind unvergessen.)
An der Fachhochschule bin ich als Religionspädagogin gut ausgebildet worden.

Dede: Wie arbeiten Sie mit anderen zusammen?

Denkers: In der Zusammenarbeit steht an erster Stelle mein Team im evangelischen Klinikpfarramt. Wir sind ein Team aus Diakon*innen und Pastor*innen. Wir sind in einem guten Austausch über unsere Arbeit, können uns auch gegenseitig entlasten. Ich schätze unsere Zusammenarbeit sehr – auch, dass wir immer noch zusammen lachen können.
Wir pflegen unsere Zusammenarbeit mit Hilfe von regelmäßiger Supervision. Wir kooperieren mit den katholischen Kollegen und treffen uns hier zu regelmäßigen Absprachen.
Außerdem gibt es die Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden der unterschiedlichen Berufsgruppen, die hier im Haus tätig sind. Da wir bekannt sind, werden wir viel gerufen, über die Situation informiert und einbezogen. Ich habe acht Jahre auf der Palliativstation der MHH gearbeitet, hier war die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team besonders wichtig. Einmal in der Woche haben wir uns über die betreffenden Patienten und Patientinnen ausgetauscht und gemeinsam überlegt, welches Angebot von unserer Seite unterstützend sein kann. Ich war bei diesen Besprechungen dabei ohne meine Schweigepflicht zu verletzen und trotzdem war eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich. Ich habe sehr gern in diesem Team gearbeitet und das Bemühen um Patient*innen, Angehörige und um einander sehr geschätzt.

Dede: Arbeiten Sie in Netzwerken? Welche sind das?

Denkers: Einmal gehöre ich zur Sprengelkonferenz der Krankenhausseelsorge und eben auch zur Jahreskonferenz der Krankenhausseelsorge in der Landeskirche Hannovers. Beides sind Zusammentreffen zum professionellen Austausch und zur themenspezifischen Fortbildung. Auch vertrete ich die Sprengelkonferenz der Krankenhausseelsorge in Hannover in der Konferenz für Seelsorge im Gesundheitswesen. Diese Konferenz trifft sich 2 – 3 x im Jahr. Hier kommen die Vertreter*innen der Krankenhausseelsorgekonferenzen, der Landeskirchlich Beauftragte für Krankenhausseelsorge, der Dezernent des Landeskirchenamtes für Sonderseelsorge, ein Vertreter des Zentrums für Gesundheitsethik, die Vertreter der Seelsorgelinien im Zentrum für Seelsorge zusammen. Es ist ein Informationsaustausch zwischen den unterschiedlichen Einrichtungen und wir informieren uns gegenseitig über Neuigkeiten im Bereich der Klinikseelsorge, aus dem Landeskirchenamt, dem ZfG und dem ZfS. Gleichzeitig haben wir Vorträge zu aktuellen berufspolitischen Themen. Meine Aufgabe ist es, „meine“ Sprengelkonferenz darüber in Kenntnis zu setzen.

Dede: Wenn jemand mehr von Ihrer Arbeit wissen möchte, wie kann man Kontakt mit Ihnen aufnehmen?

Denkers: Die Telefonnummer im evangelischen Klinikpfarramt ist 0511 5325474, gern auch über Mail ev.seelsorge@mh-hannover.de

Dede: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Barbara Denkers ist seit 1991 Diakonin in der Krankenhausseelsorge, davon war sie 3 ½ Jahre im Vinzenzkrankenhaus in Hannover tätig – damals noch Barbara Winkler.
Seit 25 Jahren ist sie Seelsorgerin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Vor drei Jahren hat sie ihre Arbeit in der Klinik auf halbtags reduziert. Zudem hat sie einen viertel Auftrag für Fort- und Weiterbildung in Seelsorge und Supervision/Lehrsupervision, dem Zentrum für Seelsorge zugeordnet.
Sie hat Religionspädagogik an der Evangelischen Fachhochschule studiert und ihr Diplom im Jahr 1989 erworben.Ihr Berufspraktikum hat sie in Hildesheim absolviert. Hier war sie zur Hälfte in der Christuskirchengemeinde und zur Hälfte in der Krankenhausseelsorge im städtischen Klinikum tätig.
Sie wurde am 4. Mai 1991 in der Kirche des Stephansstiftes mit Kommilitonen und Kommilitoninnen als Diakonin eingesegnet.

Ursprünglich stammt Barbara Denkers aus Wolfsburg, wo sie in unterschiedlichen Gemeinden und im Kreisjugenddienst ehrenamtlich tätig war. Noch heute ist sie ein Fan der Wölfe (VFL Wolfsburg) Im Kirchenkabarett „Homunculi Artis“ hat sie viele Jahre mit Spaß mitgespielt.

Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Oststadt von Hannover und hat durch die Begegnung mit ihrer früheren Kunstlehrerin das Malen als Hobby wiederentdeckt. Ihr Lieblingsrückzugsort ist die Insel Fanö.