Gastfreundschaft

08. Oktober 2019

Diakoninnen Katrin Bode und Sandra Heiting

Dede: Hallo Katrin und hallo Sandra, ihr seid beide Diakoninnen. Was bedeutet für euch ganz persönlich Gastfreundschaft?

Bode: Menschen sollen sich in meiner Gegenwart wohlfühlen, alles kann nichts muss. Gastfreundschaft zu erleben ist ein gutes Bauchgefühl, ich kann so sein wie ich gerade bin und wenn aus Gästen Freund*innen werden, dann ist das persönlich eine Bereicherung.

Heiting: Menschen einladen, ohne etwas von ihnen zu erwarten oder zu verlangen. Offen sein für ihre Anliegen und Fragen. Anbieten teilzuhaben, z.B. an einem Projekt, einer Aufgabe, unserer Gemeinschaft, als Mitgestalter*in oder Teilnehmer*in. Eine Atmosphäre schaffen, in der die Menschen sich willkommen fühlen.

Dede: Projekte, die Gastfreundschaft bieten – was ist das Ziel, warum macht ihr das, warum macht Kirche das?

Heiting: Auf die Menschen zugehen ist heute eine wichtige Aufgabe der Kirche, raus gehen aus den eigenen Gebäuden, Interesse zeigen an dem, was die Menschen bewegt. Dazu gehört es, neue Formen der Beteiligung zu finden und Kirche nicht abzugrenzen, sondern die Türen ganz weit zu öffnen. Ich erlebe, dass Transparenz, Spontanität und Authentizität wichtige Eigenschaften sind.

Bode: Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Ich glaube an diesem Sprichwort ist etwas dran. Zusammen zu essen kann ein großes Gemeinschaftsgefühl ermöglichen, alle sind eingeladen und finden ihren Platz. Besonders wenn alle etwas mitbringen, ist das Teilen oft mit dem Gefühl verbunden, ich habe etwas zum Gelingen beigetragen. Der Einstieg in Gespräche über Gott und die Welt fällt mit einem Teller oder einer Tasse in der Hand oft leichter.

Dede: Was unterscheidet diese Projekte von kommerziellen Unternehmungen – oder seid ihr mit euren Projekten auch kommerziell? Also – die Frage noch mal erweitert: muss man ausreichend Einkommen haben, um zu euch zu kommen?

Bode: Meine Projekte sind nicht kommerziell. Es gibt immer Möglichkeiten die Kosten auf anderem Wege erstattet zu bekommen. Ich erlebe aber auch oft, dass die Menschen etwas dazugeben möchten. Sie geben eine kleine Spende auch unaufgefordert, um ihre Verbundenheit und Wertschätzung auszudrücken, dies nehme ich dann auch an und lasse es dem Projekt zukommen.

Heiting: Das Café LUCA ist tatsächlich ein richtiger Betrieb, mit allem was an rechtlichen, hygienischen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Auflagen dazu gehört. Trotzdem ist niemand ausgeschlossen. Jede*r ist willkommen – das zeigen unsere Gästen und die Teammitglieder. Jeder bringt sich nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten ein. Ein tolles Angebot ist z.B. der „Caffee Sospeso“ – Gäste, die es sich erlauben können, zahlen „einen Kaffee“ mehr für jemanden, der das Geld nicht hat.

Dede: Es geht hier also um ur-diakonische Anliegen. Was bedeutet für euch in dem Zusammenhang die Redewendung „Liebe geht durch den Magen“?

Bode: Ja, Liebe geht durch den Magen. Gesättigt sein, nicht nur mit dem Nötigsten, sich aufgehoben fühlen an einem schön gedeckten Tisch, eine Tasse heißen Tee, wenn es draußen stürmt, das ist Geborgenheit und lässt uns Menschen, Menschen sein.

Heiting: Das leibliche Wohl spielt eine wichtige Rolle. Essen verbindet und schafft Gemeinschaft, an der jeder teilhaben kann: Entweder indem er/sie es sich schmecken lässt oder selbst etwas zum Essen beisteuert. Zum Beispiel unsere Kuchenbäcker*innen geben sich besonders viel Mühe, damit die Torten im LUCA nicht nur gut schmecken, sondern auch schön aussehen. So manches Mal stehen die Gäste mit staunenden Augen vor unserem Cake Tower – eine besondere Form der Anerkennung und Wertschätzung und des Willkommen-Seins.

Dede: Wie seid ihr mit eurer Arbeit vernetzt?

Heiting: Ökumenisch mit der katholischen Nachbargemeinde, mit dem Ortsrat, der gemeindeeigenen Stiftung und den anderen Akteuren des Stadtteils z.B. KiTas, Schulen, Vereinen, Altenheim, Gewerbetreibenden und darüber hinaus mit dem Kirchenkreis, dem Projekt „Gemeinwesendiakonie“ der Landeskirche, Kirche². Vergessen darf man auch nicht den Kontakt zu möglichen Sponsoren und Fördergeldgebern. Und natürlich die Vernetzung in den Stadtteil hinein – zu den Bewohner*innen und den Menschen vor Ort. Vernetzung ist ein Grundpfeiler unserer Arbeit.

Bode: Ohne Vernetzung geht gar nichts. Vernetzung ist eine Hauptaufgabe im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit geworden. Alleine ausschließlich als Kirchengemeinde etwas anzubieten kommt mir mittlerweile fremd vor. Die Zusammenarbeit findet immer mit unterschiedlichen Partner*innen statt, je nach Konzept und inhaltlichem Schwerpunkt.

Dede: Ist eure Arbeit gemeinwesendiakonisch?  … und das bedeutet?

Bode: Sich umschauen im Stadtteil, im Quartier, die Komfortzone verlassen, wirklich auf die Anliegen und Probleme der Menschen schauen und dann nicht die Lösung parat haben, sondern Möglichkeiten bieten, gemeinsam zu überlegen, das ist für mich Gemeinwesendiakonie. Wir geben unsere Qualitäten und Talente für das Gemeinwohl und die Bewohner*innen beteiligen sich mit ihren Gaben. Das bedeutet Geduld haben, auch aushalten, wenn es sich in eine andere Richtung entwickelt, die ich nicht unbedingt anstrebe. Verlässlichkeit und Kommunikation sind wesentliche Grundpfeiler.

Heiting: Für mich bedeutet gemeinwesendiakonisch, zusammen MIT den Menschen etwas zu entwickeln und zu gestalten. Hören, welche Idee gibt es und dann gemeinsam überlegen, was kann wie mit wem umgesetzt werden. Also umdenken: Nicht Angebote schaffen, die wir als Kirche für interessant halten und dann warten wer kommt. Sondern gleich vom ersten Schritt an die Menschen einbinden und gemeinsam überlegen, welches Angebot fehlt bzw. ist sinnvoll.

Dede: Warum als Diakoninnen? Also was ist eure Haltung, eure Berufsidentität?

Bode: Wenn nicht wir wer dann? Ich finde wir sind sehr gut qualifiziert. Meine Kompetenz in Kommunikation, meine christliche Haltung Menschen unterschiedlicher Couleur wohlwollend zu begegnen, Stressmomente auszuhalten und Situationen auch mal mit Humor zu begegnen, erleichtern mir das arbeiten sehr. Ich bin in der Lage Projekte abzuschließen, in denen „keine Energie“ mehr steckt und habe Freude daran neue Dinge auszuprobieren. Keine Angst vor Veränderung und ein gutes Selbstwertgefühl gehört ebenso zu meiner Berufsidentität.

Heiting: Menschen beteiligen, ihnen ermöglichen sich mit ihren eigenen Ideen, Fähigkeiten und Begabungen einzubringen, ist für mich ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Sozusagen Befähigung zur Teilhabe: Gemeinsam Stärken erkennen, Ermutigen zum Tun, Herausforderungen angehen und dabei Begleitung, Beratung, Unterstützung anbieten. Zusammen an einer modernen Kirche bauen, die einlädt und überrascht, die sich traut neue Wege zu gehen und sich für die Bedürfnisse der Menschen interessiert. Eine Kirche, die offen in den Dialog tritt, kritische Auseinandersetzungen nicht scheut und so begeistert. Dabei aber auch ihre christlichen Werte und Grundpfeiler nicht versteckt.   

Dede: Stichwort Teamarbeit: So eine Arbeit funktioniert doch nur mit anderen, wie geht das?

Bode: Ohne ein Team geht tatsächlich nicht viel. Ich habe das große Glück mit Menschen zusammenzuarbeiten, die wertschätzend und anerkennend miteinander umgehen. Wir können uns aufeinander verlassen, Absprachen werden eingehalten, Aufgaben werden gut und möglichst nach Talenten verteilt. Ich glaube, eine gemeinsame Vision und eine ähnliche Wahrnehmung von Situationen erleichtern die Zusammenarbeit im Team erheblich. Teamarbeit bedeutet aber auch, mehr Arbeitszeit muss mit eingeplant werden, da es sonst zu Konflikten kommen kann und das muss ja nicht sein.

Heiting: Indem man sich gut miteinander abspricht, Aufgaben klar benennt und verteilt, den Teammitgliedern genug Freiraum, Zeit, Eigenverantwortung überlässt und als Hauptamtliche die „Fäden zusammenhält“. Es ist wichtig, ansprechbar für Begleitung, Unterstützung, Hilfestellung zu sein, ggf. kurzfristig Aufgaben zu übernehmen und den Teams das Gefühl zu geben, sie sind nicht alleine. Besonders wenn mehrere Teams an unterschiedlichen Projekten arbeiten, die zu einem großen Projekt zusammengefügt werden (wie im Café LUCA) dann ist gegenseitige Information und Austausch, Vermittlung notwendig.

Dede: Wie kann man euch erreichen, wenn man mehr erfahren möchte?

Bode: Gerne per mail Katrin.bode@evlka.de oder telefonisch: 05121-167534

Heiting: Am einfachsten über die Email-Adresse des Café LUCA info@luca-hildesheim.de
Oder telefonisch in meinem Büro 05121-265290, bitte auch auf den Anrufbeantworter sprechen.

Dede: Vielen Dank!

Katrin Bode ist seit 2003 Diakonin im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt und dort mit halber Stelle in der Martin-Luther-Kirchengemeinde Nordstadt-Drispenstedt und mit der anderen halben Stelle im Ev. Kirchenkreisjugenddienst angestellt. Sie hat Religionspädagogik an der Ev. Fachhochschule Hannover studiert. Im Jahr 1995 hat sie ihr Diplom erworben.
Katrin Bode hatte ihre erste Stelle im Kirchenkreis Wesermünde Nord und war dort in den Kirchengemeinden Dorum und Padingbüttel angestellt, zusätzlich war sie in der Urlaubsseelsorge tätig. Im Anschluss hat sie für zwei Jahre in der Samtgemeinde Land Wursten eine Jugendfreizeitstätte geleitet.
Seit 2003 ist sie nun in Hildesheim tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind auf der Gemeindeebene die sozial-diakonische Gemeinwesenarbeit und im Kirchenkreisjugenddienst Aktionen und Projekte mit Jugendlichen. In der Zeit von 2008 bis 2010 hat sie eine Weiterbildung zur Fundraiserin absolviert.

Sandra Heiting ist seit ihrem Anerkennungsjahr 2004/2005 (Integriertes Berufspraktikum) im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt tätig. Sie hat Religionspädagogik und Soziale Arbeit an der Ev. (Fach-)Hochschule Hannover studiert und beide Studiengänge mit Diplom abgeschlossen.
Im Sommer 2005 wurde sie als Diakonin auf ihrer ersten Stelle eingesegnet. Danach arbeitete sie zunächst in unterschiedlichen Stellenkonstellationen mit Aufgabenschwerpunkten wie Arbeit mit Kindern, Konfirmanden, Jugendlichen, Senioren.
Von Januar 2009 bis Mai 2011 war Sandra Heiting im Klimahaus® Bremerhaven 8° Ost als Koordinatorin der Bildungsarbeit tätig.
Im Juni 2011 kehrte sie als Diakonin in den Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt zurück und arbeitet seitdem in der Konfirmanden- und Jugendarbeit, seit Herbst 2016 zusätzlich als Projektkoordinatorin des Café LUCA.
Sandra Heiting beendete 2013 ihr berufsbegleitendes Kulturmanagementstudium mit einer Masterarbeit zur Positionierung kirchlich-kulturellen Engagements am Beispiel von Kulturkirchen.